Es ist schon paradox, wie viele Zeitgenossen immer nur die Resultate, Ergebnisse, Platzierungen usw. als Erfolge ihrer Karriere anvisieren und dann nach Beendigung der aktiven Laufbahn in ein tiefes, schwarzes Loch fallen. Der Untertitel dieses Buches »Der ganzheitliche Weg zum Erfolg« macht daher wohl zuallererst eine Beschäftigung damit nötig, was denn Erfolg überhaupt ist, zumindest aus unserer ganzheitlichen Sicht.
Wer keinen Sinn im Leben sieht, ist nicht nur unglücklich, sondern kaum lebensfähig.
Albert Einstein
Wenn man den Begriff »Erfolg« googelt, so stößt man zwangsläufig auf die Definition nach Martens/Kuhl, wonach »Erfolg die Erreichung seiner Ziele« sei. Aus unserer Sicht ist dies jedoch eine zu enge Auslegung eines komplexen Begriffes. Aus unserer ganzheitlichen READY TO WIN-Sicht wäre folgende Definition angebracht:
Erfolg ist das engagierte Folgen seiner persönlichen Berufung mit dem Ziel, ein authentisches und erfülltes Leben zu führen.
Die Formulierung »erfülltes Leben« ist in diesem Zusammenhang immens wichtig, denn damit soll klar zum Ausdruck kommen, dass Erfolg nicht auf eine bestimmte Laufzeit, etwa die Dauer eine Sportkarriere oder die Jahre des Berufslebens, begrenzt ist. Erfolg endet in Wahrheit am Sterbebett, wenn man selbst zu dieser dramatischen Stunde mit Zufriedenheit auf eine erfüllte Vergangenheit zurückblicken kann. Wenn man sagen kann, man hat sein Leben authentisch gelebt. Für so viele Zeitgenossen endet Erfolg mit dem Pensionsantritt, und anstatt den Herbst des Lebens in all seiner Farbenpracht genießen zu können, folgen Pensionsschock und Rentendepression. Frustration und der latente Verdacht, nicht mehr gebraucht zu werden, dominieren das Gefühlsleben vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Der Tod scheint vielen angesichts dieser Perspektivenlosigkeit schon beinahe als Gnade.
Aber auch um Jahrzehnte jüngere Menschen fallen bisweilen in ein tiefes emotionales Loch, wenn sie etwa Mitte 30 ihre sportliche Profikarriere an den sprichwörtlichen Nagel hängen und dann trotz selbst gut gepolsterter Bankkonten vor der Frage stehen: »Das war’s jetzt, oder wie?« Wahrscheinlich ist es auch genau die Angst davor, dass so viele einstmals erfolgreiche Profis so lange nicht aufhören oder loslassen können, bis sie ihren Superstarstatus komplett zerstört haben und nur mehr der abgeschrammte Ex-Champion sind. Anstatt auf dem Höhepunkt der Karriere in Ruhm und Glanz abzutreten, hängen sie, gegen die jungen Nachfolger immer erfolgloser werdend, noch ein Jahr und noch ein Jahr an. Aus Scheu davor, in ein neues Leben überzutreten.
Sowohl in der Sportlerlaufbahn als auch im »normalen« Berufsleben sind Ziele oft recht klar definiert und vorgegeben. Durchaus unabhängig davon, ob es intrinsische (eigene) oder extrinsische (von außen angeregte) Motivationen und Anforderungen sind, denen es lohnt, gerecht zu werden: Ein Weg ist vorgegeben. Dem sportlichen Frührentner oder regulären Pensionisten fehlen oft neue Ziele, neue Visionen.
Ohne eine klare Vorstellung dessen, was man nun erreichen möchte, einfach so dahinzuleben, ist für viele ein planloser Dauerlauf im Hamsterrad. Übrigens oftmals auch für jene, die zu plötzlichem Reichtum durch ein nicht-erwartetes Erbe oder einen überraschenden Lottogewinn gekommen sind. Jetzt haben sie zwar Kohle und ein scheinbar sorgloses Leben, aber Lebensfreude? Weit gefehlt. Geld alleine macht also wirklich nicht glücklich oder erfolgreich. Ohne eine Vision zu haben oder zumindest eine klare Vorstellung davon, wo die Reise des Lebens hingeht, drohen schnell Lebensmüdigkeit und Überdruss.
Erfolg ist nicht gleich Sieg!
Nun wird gerade beim Profisportler sehr schnell Erfolg mit Sieg gleichgestellt. Ein Sieg ist eine Würdigung einzelner erfolgter Zielerreichungen. Pokale, Medaillen, Podium, Hymne, Champagner, Gratulationen, Medienrummel usw. sind eindrucksvolle Beweise dafür, es geschafft zu haben, genau hier und jetzt der Beste gewesen zu sein. Österreichs erfolgreichster Olympiasportler aller Zeiten, der nordische Kombinierer Felix Gottwald, sagt in seiner überaus empfehlenswerten Hör-CD »Die Stille zum Erfolg« so treffend: »Bei der Siegerehrung ist der Erfolg schon wieder Geschichte.« Siege sind also letztlich nur eine kurze, wenngleich sehr erfreuliche Momentaufnahme und motivierende Bestätigung des eingeschlagenen Weges. Erfolg ist aus unserer Sicht aber eine symbiotische Kombination aus errungenen Siegen, überwundenen Niederlagen sowie emotionaler, sozialer und gesundheitlicher Intelligenz. Ein Mensch – ob in Sport oder Business –, der zwar oft als Gewinner dasteht, aber von niemandem gemocht wird, keine wahren Freunde hat, sich mit seinem Lebensstil die Gesundheit ruiniert (im Extremfall mit Doping, Alkohol usw.) und meint, sein Leben bestünde nur aus Siegen um jeden Preis, wird von uns nicht als erfolgreich angesehen. Er ist zugegebenermaßen siegreich, jedoch nicht erfolgreich im Sinne unserer READY TO WIN™-Philosophie. Aber zurück zur eigentlichen Kernfrage:
Wie wird man erfolgreich?
Dem klugen Spruch von Thomas Edison, einem der größten Erfinder aller Zeiten, wonach Erfolg nur zu 1 % aus Inspiration, jedoch zu 99 % aus Transpiration bestünde, ist wohl kaum etwas entgegenzusetzen. In dieselbe Kerbe schlägt auch die oftmals zitierte 10.000-Stunden-Regel gleichsam als Naturgesetz des Erfolges. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass man etwas dann erst authentisch und exzellent beherrscht, wenn man sich damit etwa 10 Jahre lang jede Woche rund 20 Stunden übend beschäftigt hat. Ob diese Zahl jetzt abstrakt stimmt oder nicht, ist gar nicht so wichtig, vielmehr jedoch der darin verborgene Umkehrschluss, dass Talent alleine noch lange keinen Erfolg ausmacht. Ganz im Gegenteil: Sich seiner angeborenen Begabung allzu sehr bewusst zu sein, ist mehr hinderlich als förderlich auf dem Weg zum Champion. Einfach weil man sich immer einreden kann, den letzten Rest der Leistung, das Sahnehäubchen obendrauf, an dessen Erreichung andere, weniger Begabte, hunderte Stunden hart arbeiten müssen, gleiche man dann schon mit seinem gottgegebenen Talent aus. Und genau dabei läuft man Gefahr, mit diesem Geniegefühl im Hinterkopf, im Training nie wirklich an seine absoluten Grenzen zu gehen. Ein Problem, welches speziell beim Nachwuchssportler überaus häufig zu beobachten ist, gerade wenn Ablenkungen wie die erste Liebe um Welten verlockender erscheinen, als schon wieder trainieren. Was bleibt, mag zwar ein beneidenswertes Feeling für den Sport und dessen Bewegung oder Technik sein. Was folgt, ist aber meist ein minimal schlechterer Trainingszustand z.B. in Form konditioneller Mankos. Schnell verliert man so – etwa unter sehr anstrengenden Wettkampfbedingungen – gegen einen vergleichsweise minder veranlagten Gegner, und schon ist die mentale Misere gleich einem kleinen Feuerchen entflammt. Wenn man dann noch dazu seit seiner Jugend ob seines so gottvollen Talents gelobt wurde, wird aus dem kleinen Feuer bald ein psychischer Flächenbrand. Jemanden wegen einer natürlichen Begabung zu loben, ist ein Kardinalfehler, der ein Scheitern vorprogrammiert. Etwas zu loben, was nicht durch persönlichen Einsatz erarbeitet wurde und wofür der Gelobte nichts aktiv beigetragen hat, weil er dies in die Wiege gelegt bekam, ist ein absolutes No-Go auf dem Weg zum Erfolg. Sobald der Gelobte an einem Punkt anlangt, an dem Talent alleine nicht reicht und er deswegen verliert, wird ein lange aufgebautes, mentales Weltbild in den Grundfesten erschüttert. Versagensangst ist von nun an der ständige Begleiter.
»Übung macht den Meister« ist also leider keine Binsenweisheit, sondern die Wahrheit auf dem Weg zu reproduzierbarem Erfolg. Kritiker der oben erwähnten 10.000-Stunden-Regel meinen, dass diese allerdings die Qualität der trainierten Stunden vernachlässige. Klar, natürlich sind auch die 10 Jahre x 1.000 Stunden noch lange kein Garant für einen Weltmeistertitel, wenn man ein Jahrzehnt zwar fleißig, aber nicht optimal oder gar schlecht, falsch und stumpfsinnig geübt hat. Das »Wie« spielt selbstverständlich eine nicht minder entscheidende Rolle wie das »Wie lange« bzw. »Wie oft«.
Jedoch Beweise dafür, dass zielstrebige Menschen, die mit oder ohne Talent beinhart an sich arbeiten, erfolgreicher werden als die urlässigen Typen, die sich primär auf ihre Genialität verlassen, gibt es gerade im Sport tausendfach. Was der Lässigkeit folgt, ist eine Ent-Täuschung, im Wortsinne der Beendigung der Täuschung: »Es geht eh auch mit Talent alleine.«
Das Prinzip des ersten Sieges
Einer der entscheidendsten Momente einer Karriere findet unmittelbar nach dem ersten errungenen Sieg statt, also zu einem Zeitpunkt, an dem man zum ersten Mal der Beste war. Aus der Welt der Sportschützen gab uns der damalige Luftgewehr-Weltrekordhalter Thomas Farnik (A) einmal die bezaubernd logische Antwort auf die Frage, wie man denn ein Weltklasseschütze würde: »Ganz einfach, du schießt solange auf die Zielscheibe, bis du einen 10er exakt triffst, und ab dann machst du es einfach immer genauso …«
Dieser magische Augenblick, an dem man erstmals entdeckt hat, wie Siegen funktioniert, lässt uns erahnen, dass die anderen auch nur mit Wasser kochen, wie man auf gut Österreichisch so treffend formuliert. Auch wenn dieses erste Gewinnen noch lange nicht (Lebens-)Erfolg im ganzheitlichen Sinne bedeutet, so ist es zumindest ein bestmöglicher Zündfunke. Ein wunderbarer Moment, in dem für die angestrebte Reproduzierbarkeit von Siegen so wichtige neuronale Vernetzungen im Gehirn geschaffen werden, die später jederzeit geniale Ankerpunkte für die Psyche sind, um sich auf einen Zeitpunkt, an dem »es optimal geklappt hatte« zurückzubesinnen.
Darum empfehlen wir jedem Sportler, bei dessen erstem Sieg wir teilhaben dürfen, diesen Moment mit allen Sinnen und allen Details aufzunehmen, um möglichst viele Bits für ein späteres Mentaltraining auf der körpereigenen Festplatte abgespeichert zu haben. In verzweifelten Karrieresituationen, wo gar nichts mehr zu gelingen scheint, sind geführte Meditationen ein perfektes Instrument zum Zurückfinden auf die Straße der Sieger. »Erinnere dich zurück an deinen ersten Sieg. Wie fühlte es sich an, welche Geräusche nimmst du wahr, vielleicht tauchen ja Gerüche wieder auf, erinnere dich zurück, wie war das Wetter, war es warm und sonnig …?«
Je mehr Informationen zum ersten Sieg auf der Harddisk im Kopf gespeichert sind, desto präziser kann man sich an diesen Augenblick der Glückseligkeit und Leichtigkeit zurückbesinnen und so auf seinen Weg zum Erfolg zurückfinden.
Natürlich ist die Wirkung des ersten Sieges umso anhaltender und prägender, je größer die Anstrengung dazu war. Die neuronalen Siegesnetzwerke im Gehirn sind deutlich engmaschiger verwoben, wenn man für seinen ersten Triumph kämpfen musste, als wenn man sich lässig und locker, nur auf Talent und überlegenes Material vertrauend, wesentlich schwächere Gegner aussucht. Unterlegene Konkurrenten zu deklassieren ist keine Kunst und hat im Sinne des Prinzips des ersten Sieges auch kaum Wert. Sich selbst zu belügen, indem man mit Kanonen auf Spatzen schießt – um nochmals eine Redewendung zu bemühen – und sich dann als der große Triumphator zu fühlen, mag im Bewusstsein funktionieren als eine Art positiven Denkens. Unser um Welten mächtigeres Unterbewusstsein lässt sich leider so einfach nicht betrügen: Es weiß, dass geschenkte Siege gegen unterlegene Konkurrenten letztlich nur eine Verschwendung von Ressourcen waren.
Die Aura der Sieger
Was sich jedoch ab dem ersten wertvollen Sieg zusammen mit dem Selbstvertrauen verändert, ist auch die Aura des nun auf ein höheres Level emporgestiegenen Sportlers. Die Aura, also jenes zwar unsichtbare aber jedenfalls wahrnehmbare Kraftfeld eines Menschen, wird von Triumph zu Triumph stärker. Wobei diese esoterische (Wortbedeutung: »dem inneren Bereich zugehörig«) Auslegung der menschlichen Ausstrahlung nicht zwangsläufig für die Umwelt erfreulich sein muss. Die Aura eines Menschen kann gut und gerne auch abstoßend sein, nicht nur anziehend. Sportler, denen es nur skrupellos ums Gewinnen um jeden Preis geht, besitzen zweifelsfrei eine andere spirituelle Wirkung auf die Mitmenschen wie ganzheitlich erfolgreiche Supertypen.
Eine nahezu göttliche Aura schreibt wohl jeder, der ihn persönlich kennenlernen durfte, dem 1994 verunglückten Formel-1-Champion Ayrton Senna zu. Selbstverständlich hatte der charismatische Brasilianer zeit seines kurzen Lebens jede Menge Ecken und Kanten, dennoch vermittelte er selbst erbitterten Gegnern das Gefühl, hier nicht nur einem schnellen Rennfahrer, sondern einem ganzen Menschen gegenüberzustehen.
Der Autor dieser Zeilen hatte einmal das Vergnügen, Michael Schumacher bei der Versammlung der F1-Fahrer zum drivers meeting eines Grand Prix persönlich beobachten zu können. Zu sehen, mit welcher ungespielten, selbstsicheren, authentischen Ausstrahlung der damals Unbesiegbare seinen Gegnern bereits ohne ein Wort zu sprechen, bloß durch seine Aura, signalisierte »Schön, dass ihr auch alle da seid, aber gewinnen werde am Sonntag ohne Diskussion ich!«, war schon ein beeindruckendes Erlebnis.
Der Grat zwischen einer faszinierenden, positiven spirituellen Anziehungskraft und einer überzogenen, selbstherrlichen Arroganz ist jedoch ein schmaler. Was manche Menschen für ihre Ausstrahlung halten, fällt charakterlich jedoch eher unter Ausdünstung 😉