Die meisten unserer Essgewohnheiten aber auch Essunarten bekommen wir im frühen Kindesalter von den Erwachsenen mit auf den gesundheitlichen Lebens- oder bisweilen Leidensweg. Ist der pflanzliche Teil der Ernährung nicht bloß ein immer gleichfades Gemansche, das die Familienmitglieder täglich zu berechtigtem Protest auffordert, sondern das Gemüse kulinarisch-kreativ, liebevoll und möglichst sortenrein zubereitet, so wird das Kind eine feinere Geschmackssensorik entwickeln und später Pflanzliches und damit Gesundes gerne und vor allem automatisch essen. Lehnt der Vater die zerkochte Gemüsepampe lautstark ab und propagiert stattdessen das Kotelett, wird zumindest der heranwachsende Sohnemann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in eine ungesunde Ernährungszukunft schreiten – Vaters Verhalten spiegelnd und gesundes Grünzeug kategorisch ablehnend.
Ernährungspsychologen empfehlen, Kleinkindern die Gemüse- und Obstbreis oder Hippgläschen möglichst sortenrein zu füttern, um diesen positiven Effekt der fein sensibilisierten Geschmackssensorik weiter zu fördern: »Aha, so schmeckt Karotte, und so schmeckt Broccoli…«
Auch meist in jüngsten Jahren bekommen wir neuronale Standards eingebläut, etwa, dass man alles aufessen muss, damit morgen das Wetter schön wird und dass man Nahrung nicht wegwerfen darf, weil sie vom Herrgott kommt. Grundsätzlich sind wir vehement der Meinung, dass schon ein Knirps lernen muss, wieviel Nahrung er braucht. Alle fünf Minuten etwas anderes zum Naschen fordern oder sonst zu brüllen oder zumindest zu spinnen, und diese einmal angebissenen Süßigkeiten dann überall liegen zu lassen, gehört mit Sicherheit unterbunden, um ein gesundes Verhältnis zur Ernährung aufzubauen. Allerdings auf Seite der Eltern, denn sie sind es, die solche Unarten einreißen lassen (siehe Post ERNÄHRUNGSPSYCHOLOGIE I: »Abspeisen«).
What you belief creates your life
Den Belief (Glaubenssatz) unterbewusst mitbekommen zu haben, immer alles aufessen zu müssen, führt allzu oft zu Übergewicht bis Fettleibigkeit. In berühmt gewordenen wissenschaftlichen Experimenten wurde gezeigt, dass adipöse Menschen tendenziell solange essen, solange etwas am oder im Teller ist. Handelt es sich in der Versuchsanordnung hierbei um einen manipulierten Suppenteller, in welchen von unten trotz Weglöffelns immer wieder Suppe nachströmt, so versucht der Proband dennoch, weiter aufzuessen. Klar, irgendwann dämmert es selbst dem motiviertesten Vielfraß, dass hier etwas nicht stimmen kann mit der nicht enden wollenden Suppe, bei adipösen Menschen passierte dies in den Tests jedoch im Durchschnitt erst 70 % nach der Sättigungsgrenze. Mit dem unbewussten Glaubenssatz, alles aufessen zu müssen, ist dieser Punkt des Essen-Aufhörens jedoch um Teller zu spät. Ernährungspsychologen empfehlen übergewichtigen Menschen übrigens einen nahezu simplen Trick, um weniger zu essen: Kleinere Teller verwenden!
Jährlich verhungern in der 3. Welt 3,1 Millionen Kinder.
Und die 1. Welt (fr)isst sich im Überluss zu Tode …
Selbstverständlich ist es ein unverzeihliches Drama der Weltpolitik, dass wir uns hier im Überfluss zum frühen Wohlstandstod (fr)essen und in der Dritten Welt jährlich 3,1 Millionen Kinder unter fünf Jahren verhungern bzw. weltweit einer von neun Menschen jeden Abend hungrig zu Bett geht. Vom dritten Schöpflöffel Schwammerlsauce am Mittagstisch hier in Mitteleuropa wird nur kein Kind in Äthiopien satt, ob man diese nun noch weit über die Sättigungsgrenze hinaus verspeist oder – da nicht gut haltbar – wegwirft. Letztlich wird jede Speise früher oder später Biomasse – ob sie nun vorher durch einen Körper gegangen ist oder nicht. Durch-einen-Körper-Gehen bedingt aber, dass dieser auch tatsächlich eine dritte Portion durch Muskelarbeit verbrauchen/verkraften kann, ohne die Kalorien in Körperfettdepots anlegen zu müssen. Der menschliche Stoffwechsel ist nun einmal darauf ausgelegt, Überflüssiges in (heute ebenso überflüssigen) Fettreserven für schlechte Zeiten zu speichern. Es gibt hierzulande jedoch ernährungsmäßig keine schlechten Zeiten oder Hungersnöte mehr. Aber Übergewicht und Fettleibigkeit. Aktuell sind in der EU knapp 60 % der Menschen übergewichtig oder fettleibig. Für 2030 erwartet man in den USA einen erschütternden Wert von 86 %. Beunruhigend, kommen doch unsere modernen Essgewohnheiten zum größten Teil aus Amerika: »Einmal mit großen Pommes bitte.«
Stress macht dick?!
Eine weitere Ernährungsfalle in Richtung zu viele Kilos ist der Stress bzw. die hormonelle Situation hierbei im Körper – bei Dauer-/Alltagsstress, um genau zu sein. Ist man eben diesem ausgesetzt, so bildet der Organismus vermehrt das Stresshormon Cortisol, im kurzfristigen Überlebenskampf hingegen das Hormon Adrenalin. Daher nennt man Bungee-Jumper und Motorrad-Salto-Springer auch gerne Adrenalinjunkies.
Dauergestresste wären analog zu Adrenalis-Yunkies durchaus als Cortisol-Yunkies zu bezeichnen. Oder noch besser als Insulin-Yunkies …
Auch das Hormon Insulin, das für den Energiestoffwechsel eine tragende Rolle spielt, wird bei Dauerstress vermehrt ausgeschüttet, um Glukose in die Zellen zu bringen und so der zu hohen Belastung gerecht zu werden. Nun sind aber unsere zu hohen Belastungen heute kaum mehr körperlicher Art. Wir müssen nicht mehr, etwa um einer anderen aggressiven Sippe aus dem Wege zu gehen, mit Kind und Kegel, Sack und Pack tagelang umherziehen und uns ein neues Revier zu suchen, wie weiland unsere Vorfahren. Klar, die hatten zum stundenlangen Marschieren und Schleppen ihrer Habseligkeiten einen hohen Blutzuckerspiegel gebraucht. Darum sind wir auch archaisch so geschaltet, dass wir unter Stress = bei erhöhtem Insulinspiegel gierig nach süßem und fettem Fressaliennachschub werden. Die Nahrungsmittelindustrie hat genau darauf reagiert und sehr erfolgreich supersüße, superfette Snacks für den »kleinen Hunger zwischendurch« auf den Markt gebracht. Unter Stress schleppen wir Zivilisationsmenschen uns geradezu von einem extrem kalorienreichen Appetithappen zum nächsten, unterbrochen bestenfalls durch die Pizza in der Mittagspause. Und legen durch Nicht-Verbrauchen der hastig zugeführten Energie riesige Fettdepots an. Genau aus diesem Grunde seien gestressten Menschen dringlich statt dem Schokoriegel im Büro oder der Leberkäsesemmel ein Apfel oder eine Karotte empfohlen sowie ein moderater, aber regelmäßiger Ausgleichssport: erstens, um diese Energiereserven durch Muskelarbeit im Sauerstoffgleichgewicht effizient zu verbrennen und zweitens, um auch das erhöhte Cortisol dabei abzubauen. Ein Zuviel an Immunabwehr macht uns nämlich nicht resistenter gegen Krankheiten, ganz im Gegenteil: Ein Überschuss an Cortisol greift früher oder später die eigene Gesundheit an – Stichwort: Autoimmunerkrankungen, neben Übergewicht auch eine typische, mögliche negative Nebenwirkung von Dauerstress.
Stress > falsches Essen > kein Sport > Übergewicht…
Stress, falsche Ernährungsgewohnheiten aus der Kinderstube, die nicht bewusst reflektiert werden, und die innere Programmierung auf Essen bei negativen Gefühlen lassen viele Zeitgenossen dick und immer dicker werden. Dick zu sein geht meist einher mit einem schlechten Allgemeinzustand (Wehwehchen, Eingeschränktheit, Unzufriedenheit, Komplexe wegen Aussehen usw.), und ein solcher löst negative Gefühle aus – der Teufelskreis in Richtung Adipositas beginnt sich zu drehen.
Bewegung im Sauerstoffgleichgewicht ist die beste Medizin gegen die Belastungen mit Stresshormonen
Lesen Sie weiter im Post ERNÄHRUNGSPSYCHOLOGIE III